Trotz der Verabschiedung eines zweiten Bailoutpakets für Griechenland ist es an den Finanzmärkten nahezu Konsens, dass das Land einen Zahlungsausfall auf seine überhohen Schulden erklären wird, um danach aus der Eurozone auszutreten. Wie sich zeigt, legt die Brüsseler Eurokratie die Leitlinien demokratischer Strukturen willkürlich aus, indem sie den Mitgliedsstaaten der Eurozone Auflagen macht, die gänzlich über die Köpfe der jeweiligen Bevölkerungen entschieden werden. Dieser Mangel an gesellschaftlicher und politischer Partizipation dürfte in den Südländern der Europeripherie ernsthafte Konsequenzen haben.
Europa verabschiedet sich von der Demokratie und agiert nicht anders als afrikanische Bananenstaaten
Ökonomisch macht es keinen Sinn, von Griechenland oder anderen PIGS zu erwarten, mit Deutschland oder den Niederlanden zu konkurrieren. Griechenlands Leitungsbilanzdefizit liegt momentan bei 8,4% seines BIPs, während es in Portugal 8,6%, in Spanien 3,8% und in Italien 3,5% erreicht hat. Deutschland berichtete hingegen über einen Überschuss in seiner Leistungsbilanz in Höhe von 5% seines BIPs, während die Niederlande sogar einen Überschuss von 7,8% erwirtschafteten. In den vergangenen zwanzig Jahren ist die Wirtschaft der Eurozone jährlich um 1,7% gewachsen, verglichen mit einem durchschnittlichen Wachstum von 2,3% in allen Industrieländern und 2,7% in den USA. Die für diese miese Performance Verantwortlichen zeigen sich allerdings auch weiterhin fest dazu entschlossen, in Griechenlands nationale Wirtschaft – oder die jedes anderen Mitglieds der Eurozone – hinein zu regieren. Die Ziele der Brüsseler Eurokraten konzentrieren sich allein auf ein Überleben des Euro – vollkommen unabhängig von den Kosten, die die einzelnen Bevölkerungen dieser Staaten zu tragen haben.

Auch der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedsländer in der südlichen Peripherie der Eurozone, deren wachsende Armut, ihre unentwegt steigenden Arbeitslosenquoten und ihre rasant steigenden Steuerabgaben spielen in diesem Kontext überhaupt keine Rolle. Ironischerweise sind diese Brüsseler Experten dieselben Personen, die sich das Recht herausnehmen, afrikanischen Regierungen Ratschläge zu erteilen, auf welche Weise sie die Armut in ihren Ländern zu bekämpfen haben, die sich in Südeuropa gerade wie ein Lauffeuer ausbreitet. Dazu gezwungen, sich über Dekaden die Vorhaltungen und Belehrungen über Menschenrechte, eine gute Regierungsführung und nicht zuletzt Demokratie von den generösen Spendern der EU anzuhören, schauen sich Afrikas Staatenlenker nun die Zerstörung demokratischer Strukturen in den südlichen Peripheriestaaten der Eurozone aus der Ferne an. Niemand anderes als Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble gab dies offen und deutlich im letzten Monat zu, indem er den Vorschlag unterbreitete, dass Griechenland seine neu angesetzten Wahlen zeitlich verschieben sollte, um in den Genuss von weiteren Finanzhilfen zu kommen. Griechenland wird also nicht nur die Hilfe seiner europäischen Partner verweigert, sondern es werden dem Land sogar harte Sanktionen angedroht, weil die politische Leitlinie seiner Regierung nicht den durch die Brüsseler EU gesetzten Standards entspricht.
Einerseits werden viele afrikanische Staatsregierungen dafür bestraft, weil sie keine freien und fairen Wahlen zulassen. Auf der anderen Seite werden die Griechen jedoch nun dafür bestraft, weil sie ein Mitspracherecht darüber einfordern, auf welche Weise ihre Wirtschaft in der Zukunft verwaltet werden soll. Die durch die EU immer wieder auf ein so hohes Trapez erhobene Demokratie wird just von ihren Eurokraten in einer Weise interpretiert, die gänzlich willkürlichen Leitlinien und Strategien folgt – ganz nach dem Motto: Demokratie ist, was uns allein passt! Brüssel – unter strikter Vorherrschaft der deutschen Regierung – wird zukünftig nicht nur Griechenland, sondern auch allen anderen Ländern der Eurozone seine Fiskalpolitik diktieren. Die Wähler der entsprechenden Staaten werden ihren freien und demokratischen Willen nicht mehr zum Ausdruck bringen können. In diesem Kontext geht es vor allem um die Frage, ob sie in der Zukunft Wachstum oder öffentliche Sparkürzungen, eine Senkung der sozialen Ausgabenprogramme, sinkende Renten oder stark steigende Steuern befürworten oder nicht. Diese Entscheidungen werden über ihre Köpfe hinweg in Brüssel und Berlin getroffen, durch Eurokraten, die das demokratische System als alternativlos bezeichnen. Letztendlich wird es jedoch zum allseits befürchteten Zusammenbruch des Euros kommen. Grund dafür werden nicht einmal die durch Deutschland oft gerügten und überhohen Schuldenniveaus in den Peripherieländern der Eurozone sein, sondern die durch eine interne Abwertung verursachten Schmerzen.
Da die PIGS weder eine eigene Zinspolitik verfolgen, noch eine Abwertung ihrer Währungen vornehmen können, werden die Löhne, Gehälter und Renten in den betreffenden Staaten weiter sinken. Darüber hinaus wird es zu einer Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit, einer stetig zunehmenden und hartnäckigen Arbeitslosigkeit, steigenden Steuern und sinkenden staatlichen Ausgabeprogrammen kommen. Die politischen Auswirkungen sind nicht auszudenken, wenn man bedenkt, dass die Brüsseler EU den PIGS genau dieselben Sparpakete in der Krise auferlegt, die der ehemalige Reichskanzler Brüning den Deutschen zu Beginn der 1930iger Jahre bescherte. Das Resultat ist bekannt. Neben einer ökonomischen Depression, die Abermillionen von Arbeitslosen zutage förderte, standen am Ende des Weges der politische Umsturz und die Machtübernahme der Nazis. Ohnehin stellt sich die Frage, wann es in Griechenland zum Aufstieg eines Volkstribunen kommen wird, der den Griechen verspricht, im Falle eines Wahlsiegs aus dem Euro auszutreten und die durch die Vorgängerregierungen angehäuften Bailoutschulden für Null und nichtig zu erklären. Diejenigen Länder in der Eurozone, die wirtschaftlich konkurrenzfähig sind, wozu Deutschland, die Niederlande, Österreich, Luxemburg und Finnland zählen, werden in der Zukunft einer stetig wachsenden Zentralisierung ihrer Wirtschaften, einem marktfeindlichen Umfeld und einem schleppenden oder gar sinkenden ökonomischen Wachstum ausgesetzt sein. Die anderen Eurostaaten werden dagegen aus diesem Verbund ausscheren oder ihren eigenen Weicheuro aus der Taufe heben müssen.